Die vollständige Chronik des MSC Weingarten

Die Gründung

Ganz gewöhnliche Jugendliche, so wie Du und ich, fuhren VW Käfer mit 34 oder 40 PS, oder einen Ford Taunus, mit dem sich herrlich die Überschlagsfestigkeit testen ließ. Der VW Golf wurde gerade erst erfunden. 1972 also, Hans-Joachim Stuck, Jochen Maas und Harald Ertl starteten gerade ihre Motorsportkarrieren, spukte ein heimtückischer Motorsportbazillus durchs Dorf. So mit 18, 20 oder 25 Jahren juckte es auch damals schon ganz arg im rechten Fuß, so arg, dass man ihn ganz fest aufs Bodenblech drücken musste, um das Kribbeln zu besänftigen. 

Warum und wieso es dann genau passierte, kann ich leider nicht berichten, weil ich nicht dabei war, aber dass es passierte, wissen wir alle: Ein Haufen verrückter Kerle traf sich, gründete den MSC und war fortan von der Idee beseelt, die große weite Welt des Motorsports nach Weingarten zu holen und dem Vereinsgeschehen neuen Schwung zu verleihen. 

„Gatter vorwärts, Gatter rückwärts“ – aller Anfang ist schwer. Flugs wurde das erste Weingartener Automobil-Geschicklichkeitsturnier für Jedermann organisiert, unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Vögele natürlich, und 134 Starter fanden sich auf dem Festplatz ein. Tagesbester wurde übrigens ein gewisser Gerhard Jordan vom benachbarten MSC Grötzingen und über die Platzierungen der MSC’ler aus Weingarten schweigt der Chronist höflich. Aber schon damals zeigte sich, dass die finanzielle Geschicklichkeit dem jungen Verein mit in die Wiege gelegt worden war: Der MSC zog nach eifrigem Abklappern von Sponsoren ein Reinerlös von 1250.- aus der Veranstaltung und füllte damit – nein, nicht seine Vereinskasse, sondern die Kassen der Weingartener Kindergärten. Neben seinem finanziellen Talent bewies der MSC mit diesem Paukenschlag, der ihm immerhin eine ganze Seite in der örtlichen „Turmbergrundschau“ einbrachte, auch ein feines Gespür für Öffentlichkeitsarbeit. 

Soweit also zum ersten Jahr der Vereinsgeschichte. Nun möchte ich die Geschichte des MSC jetzt einmal in größeren Blöcken zusammenfassen: 

Das 100. Mitglied 

Die 70er Jahre, die Gründer- und Aufbauzeit – wir träumten vom eigenen Clubhaus, von sportlichen Erfolgen und von einem ordentlichen Mitgliederzuwachs, aber wir bauten auf und begrüßten schon Ende der 70er Jahre mit Max Arheidt unser 100. Mitglied. Und die sportlichen Erfolge stellten sich zu Hauf ein: Ich möchte nur einen besonders schönen Erfolg herausgreifen – der Mannschaftssieg im Sportfahrerpokal Südwest, einer Region, die Südhessen, dem Saarland, der Pfalz bis hin zum Bodensee reichte. Mit zwei Porsche 911 und einem Audi 50 und den Teams Fabry/Fabry, Münzing/Fiala und Tissberger/Ziegahn gelang fünf Jahre nach Vereinsgründe dieser Erfolg im damals wohl härtesten und angesehensten Amateur-Rallye-Wettbewerb. 

1975 begannen wir über den Bau eines eigenen Clubhauses nachzudenken, 1978 wurde die Vereinszeitung „Der Zündfunke“ gegründet, 1979 traten wir dem ADAC als 60. Ortsclub in Nordbaden bei, seit 1976 wurde die Walzbachfahrt zur Walzbachrallye mit richtigen Sonderprüfungen und einer beständig wachsenden Teilnehmerzahl. 

1976 war es auch, als wir gemeinsam zum Eisslalom nach Zürich zogen, ein Ausflug, der mir noch heute in guter Erinnerung ist: In Windeseile eroberten wir die Herzen der Waldshuter Faschingsnarren. Der vereinseigene Karnevalsprinz „Seine Hoheit Prinz Rolf 1.“ riss mit seiner berühmten Solonummer „’s Dirndl hot g’sogt“ sogar manchen Einheimischen vom Sitz, die Guggenmusiker aus der Schweiz entdeckten das Bier auf den Tischen des MSC und der schwere Kopf am nächsten Morgen sorgte für so manchen Ausrutscher auf dem glatten Parcours. Sieger wurde übrigens Wolfgang Fabry vor Bernd Meier und Hilbert Seeger. 

Die Zeit der Geschicklichkeitsturniere 

1976, als die Walzbachrallye zum letzten Mal als reine Orientierungsfahrt lief, benötigte man zum Sieg noch Karten, Bleistifte, Zirkel, Stoppuhr, Tripmaster, Kartenlupe, Butterbrotpapier, Stecknadeln und andere merkwürdige Utensilien. Die Strecke verlief über Feld-, Wald und Wiesenwege (und das ist durchaus wörtlich zu nehmen – und heute fast unvorstellbar!) an Blankenloch vorbei zum FKK-Gelände in Büchig, weiter über Büchenau, Bruchsal, Münzesheim, Gondelsheim und Jöhlingen. Schon im ersten Fahrtabschnitt blieb nur ein Team fehlerfrei legte damit den Grundstein für seinen späteren Gesamtsieg: Heinz Roßwaag und Peter Tafel auf einem Ford Capri, damals noch für den AC Wilferdingen unterwegs. 1976 war überhaupt das Jahr, in dem der MSC überregional aktiv wurde: Vom Wasgau über Westrich, von der Baja 100 in Lorsch bis zum ersten Rallyegesamtsieg beim MSC Kochersteinsfeld traten die MSC’ler groß in Erscheinung. Werner Baral errang zum zweiten Mal in seiner Karriere den deutschen Meistertitel im Geschicklichkeitsfahren und bei der Winterfeier des MSC, in der Ringerhalle, erhielt Franz Fiala den großen Wanderpokal für seine Clubmeisterschaft. 

Im Herbst 1977 veranstalteten wir das erste Fahrradturnier für die Weingartener Grund- und Hauptschüler, zu dem überraschenderweise mehr als 80 Teilnehmer antraten. Die Clubmeisterschaft endete 1977 übrigens mit einem erneuten Sieg von Franz Fiala vor Jürgen Fabry und Alfred Münzing, wobei die letzte Rallye im Jahr 1977 mit einem Kopf an Kopf-Rennen der beiden Weingartener Porsche-Teams Fabry/Fabry und Tissberger/Ziegahn endete. 

Lasst mich einen kleinen Sprung in die achtziger Jahre machen, nicht ohne zu vergessen, daß 1978 unser Butler Franz Fiala zum dritten Mal in Folge Clubmeister wurde, die Walzbachrallye von den aktiven Rallyefahrern zur besten Rallye des Jahres gewählt wurde, dass 1979 der Nachwuchspilot Klaus Hornung auf einem „85 PS-Käfer“ die Kart-Bahn in Liedolsheim schneller umrundete als ein gewisser Jürgen Fabry auf seinem getunten Öttinger-Golf, dass im gleichen Jahr nichtsdestotrotz Fabry/Grüber den Nordbaden-Cup und Münzing/Fiala die ADAC-Gaumeisterschaft gewannen, dass 16 von 33 Teilnehmern der ADAC-Gaumeisterschaft Mitglieder vom MSC Weingarten waren und, dass 1979 unser erster „Nasenabend“ ablief. 

Der MSC baut aus 

Die achtziger Jahre, die Ausbauzeit – und das ist wörtlich zu nehmen. Am 18. November 1980 erfolgte der erste Spatenstich für’s Clubhaus, für das wir nach langem Warten endlich ein Grundstück zugesprochen bekamen. In den 80ern wurden aber auch die sportlichen Lorbeeren verstärkt eingefahren, der Trend ging von der Masse zur Klasse, die Walzbachrallye wurde ONS-Wertungslauf und Südwestpokal-Rallye und fand sogar Erwähnung in der „Motorsport aktuell“. Der MSC war in das Vereinsleben der Gemeinde hineingewachsen, die Fruchtbarkeit der MSC’ler hatte einen reichen Kindersegen zur Folge, was wiederum dem einen oder anderen den Umstieg vom Rallyewagen zum Kinderwagen abforderte. 

Auf der Generalversammlung 1980 schätzte Jürgen Fabry die Baukosten für das Clubhaus noch auf rund 50.000.- DM (endgültig war es dann wohl das Doppelte, aber das soll ja so manchem Häuslebauer auch schon passiert sein). Ein Teil der Baukosten wurde übrigens durch eine hervorragend gelaufene „Backsteinaktion“ erbracht und ganz wesentlich für die Realisierung war natürlich der Arbeitseinsatz der Clubmitglieder. Er beherrschte auch die Schlagzeilen im Zündfunken von Anfang bis Mitte der 80er Jahre, obwohl das Clubhaus schon 1982 in Betrieb ging. Am 3.April 1982, bei der 10.ADAC Walzbachrallye hatten unser Clubhaus und die Bewirtungsmannschaft eine erste Bewährungsprobe zu bestehen: Rund 300 Gäste wurden versorgt, was überraschend reibungslos gelang. Vorher hatte auf der Baustelle noch reger Betrieb geherrscht: An Fasching wurde der Fußboden verlegt, das Nebenzimmer tapeziert, die Fenster gestrichen … 

Die Arbeitseinsatz-Hitparade verzeichnete am Jahresende 1982 einige bemerkenswerte Rekorde, die ich hier nicht verschweigen möchte: Vier Clubmitglieder hatten bis dahin zusammen 1.000 der rund 3.000 Arbeitsstunden aufgebracht: Walter Lichter (mit 231 Stunden), Wolfgang Fabry (mit 243 Stunden), Norbert Sonnabend (mit 249 Stunden) und Herbert Sawczuk (mit 270 Stunden) 

Das Ende der Rallye-Amateure 

Werfen wir nochmals einen kurzen Blick auf das sportliche Geschehen der 80er Jahre, die so hoffnungsvoll begannen hatten und bei deren weiterer Entwicklung mich auch heute noch der Zorn packt, über das, was uns die ONS da eingebrockt hat. Grau/Reichert, Hornung/Kment und Tissberger/Ziegahn hießen die Teams, die den Weg aus dem Clubsport nach oben suchten. Mit großen Ambitionen starteten sie bei Deutschen- und Europameisterschaftsläufen, gewannen zumeist nur an Erfahrung und mussten schließlich einsehen, dass die Luft dort sehr dünn wird und man mindestens einen arabischen Ölscheich als Schwager braucht. Trotz allem ließen die MSC’ler auch auf großer Bühne aufhorchen: Vor allem Jürgen Grau/Hans-Peter Reichert geigten mit ihrem betagten Escort beständig in der Spitzengruppe mit und heimsten unauffällig beachtliche Erfolge ein. Auch unser Vize Bertram Hornung drosch den Manta 400 zu mancher hervorragenden Zeit, etwa bei der Vorderpfalz oder der Deutschland-Rallye oder bei seinem Sieg in Freiamt. Der Umstieg auf einen Ur-Quattro war notwendig, weil ohne Allrad nichts mehr ging, aber auch diese Technik verhinderte nicht einen gewaltigen Abflug nach einer Kuppe voll auf dem Saarland. Hernach hat er dann kleinere Brötchen gebacken und besonders der Umstieg auf einen Lancia Integrale im Jahre 1989 führte zu beachtlichen Siegen. Tissberger/Ziegahn träumten 1980 ihren großen Traum und mussten ihn nach mehreren Misserfolgen auf einem selbstgebauten Golf mitten in der Saison mangels Masse begraben. 

1984 kam die große Revolution im Motorsport: Clubsport ade, neue Lizenzen, neuer Nationaler Sport, neue Gebühren, viel mehr Funktionäre, viel mehr Aufwand. Kurz und gut, auch beim MSC quittierten acht von zehn Rallye-Teams ihren Dienst: Sonnabend/Ehrmann, Sawczuk/Lichter, Hornung/Erkmann (der andere natürlich) oder Stober/Lichter, Sonnabend/Bauer, Tissberge/Endele und viele andere wollten oder konnten nicht mehr. 

Lange bevor die Grünen begannen, am Motorsport herumzumäkeln, waren es unsere eigenen Funktionäre, die am grünen Tisch in Frankfurt den Amateur-Rallye-Breitensport so einschnürten, bis diesem die Luft ausging. 1988 verzeichnete die Walzbachrallye 120 Starter, das Schülerfahrradturnier 100 Starter und Martin Erkmann gewann zum x-ten Male hintereinander die Turnierwertung. 

Zeit für einen Generationswechsel 

Ende der 80er Jahre setzten regelmäßige Besuche der Rallye Monte Carlo die legendären Hunsrück-Fahrten fort. Die Monte-Besuche, die sich übrigens hartnäckig bis heute halten, bilden natürlich ein ganz eigenes Geschichtenbuch, nachzulesen im Zündfunken. Da wäre es an der Zeit, auch etwas über unsere berühmten gesellschaftlichen Ereignisse zu schreiben, etwa die legendären Vatertags Ausflüge („Tour de Hardt“ genannt), die Maiwanderungen, die Ausflüge wie etwa zur Floßfahrt auf der Isar, zum Holiday-Park, zum Korber-Rittermahl oder nach St. Jakob in Österreich, die Familienfahrten im November, der Besuch im Technik-Museum Sinsheim und viele Grill- und Boxhälden-Feste, die ich jetzt gar nicht alle aufzählen will. 

Die Neunziger – Zeit für den Generationswechsel beim MSC. Dieser Wechsel vollzieht sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen übernehmen nun wirklich einige von uns neue Verantwortung, etwa Jürgen Fabry im Vorstand des ADAC Nordbaden. Zum anderen haben wir seit 1991 eine Jugendsportart für 8 bis 18-jährige: Den Jugend-Kart-Slalom. Die Entscheidung, hier mitzumachen war im Nachhinein gesehen ein Volltreffer, und wir müssen unserem Vorstand wirklich alle Anerkennung zukommen lassen, denn er hatte wieder einmal den richtigen Riecher mit seinem Spruch „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“. Heute hat der MSC eine hervorragend motivierte Jugendgruppe, die nebenbei auch noch beachtliche sportliche Lorbeeren einfährt – in guter MSC Tradition also -, die aber auch zu einer neuen Kameradschaft und zu neuem Leben im Verein geführt hat. Nur hat sich in unserem Wochenendplan eine kleine Terminänderung ergeben: Während wir Rallyefahrer früher am Samstag früh wegzogen und nach dem Abwarten bis zur Siegerehrung erst in den frühen Morgenstunden des Sonntags nach Hause kamen, müssen wir heute die kuscheligen Federn am frühen Sonntagmorgen verlassen, um rechtzeitig zum Nennschluß um 9:30 h in Tauberbischofsheim zu sein. Ganz wie in alten Zeiten hockt man dann stundenlang herum, um wenige Sekunden Spannung zu erleben. 

Wir haben aber etwas anderes wiedergewonnen, nämlich unser Familienleben und Zeit, mit gleichgesinnten Eltern am Rande der Strecke ein Schwätzchen zu halten. Ich möchte und darf die neunziger Jahre gar nicht zu Ende zeigen, ohne die großartigen Erfolge unserer Ina Fabry zu nennen. Mit ihren Einsätzen bei der Deutschen Kart-Meisterschaft, bei Europameisterschaften und beim Weltfinale hat sie als erste MSC-Sportlerin geschafft, wirklich das internationale Parkett zu betreten. 

Natürlich dürfen auch die Erfolge der Kart-Slalom-Treter nicht fehlen, und da gab es in der Vergangenheit reichlich Grund zu feiern. Vor allem aber ist dies der Verdienst unserer MSC’ler, die sich in der Jugendarbeit unermüdlich engagiert haben und engagieren: Heinz Roßwaag und sein Sohn Rene‘, Martin Erkmann, Bernd Gablenz, Herbert Ehrmann, Jürgen Stober, Norbert Sonnabend oder aktuell Nils Jung und Rolf Baumann und alle die, die ich jetzt vergessen habe. 

Anm.: Der Originaltext („25 Jahre MSC-Weingarten im Rückblick“ aus dem Zündfunke 1997 von Karl-Friedrich Ziegahn) wurde leicht gekürzt und verändert.

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